CELTIC FROST – Monotheist

 
Label: Century Media
Release: 26.05.2006
Von: Psycho
Punkte: 10/10
Time: 73:21
Stil: Avantgarde Death/Doom Metal
URL: Celtic Frost
 
Ganze 13 Jahre ist es nun her, dass die Mannen um Thomas Gabriel Fischer (damals noch Warrior) mit dem Best-Of Album Parched With Thirst Am I And Dying ihren letzten Longplayer veröffentlichten, der immerhin sogar zwei neue Stücke, diverse Neuaufnahmen alter Klassiker und einige Raritäten enthielt. In den Jahren davor hatten sich die zunächst als Hellhammer firmierenden Schweizer als eine der Initiatoren des späteren Death- und Black Metal-Booms etabliert und mit den EPs Morbid Tales und Emperors Return sowie dem Album To Mega Therion absoluten Kultstatus erreicht. Noch heute zählen diese Platten zur definitiven Pflichtübung für jeden, der mit harter, dunkler Musik in Berührung kommt. Beinahe alle der darauf enthaltenen Stücke besaßen neben einem bis heute ernorm hohen Wiedererkennungswert auch eine besonders markante, zwischen wilder Aggressivität und schwerer Düsternis pendelnde Atmosphäre, die seitdem viele Bands immer wieder vergeblich zu kopieren versucht haben. Trotz teilweise simpelster Riffs schaffte die Band zudem das Kunststück, sich ständig weiter zu entwickeln und immer neue Aspekte in ihre Musik zu integrieren, ohne dadurch an Härte oder Ausstrahlung zu verlieren. Dabei experimentierten CELTIC FROST bereits auf To Mega Therion mit klassischen Elementen (vor allem diversen Blechbläsern), lange bevor die Verbindung von hartem Metal und klassischer Musik einem breiterem Publikum zugänglich gemacht wurde.
Mit dem 1986 erschienen Album Into The Pandemonium ging die Band dann gleich noch mehrere Schritte weiter; das damals aus Tom G. Warrior, Martin Eric Ain und Reed St. Marc bestehende Trio zeigte in beeindruckender Weise, das sich Progressivität, Avantgardismus und ungewöhnliche Strukturen sehr gut mit harter Kost vertragen, wenn man sich nur genügend Mühe bei Komposition, Arrangement und Produktion gibt.
Leider folgte dann 1988 mit Cold Lake ein derber Ausrutscher: bei der Auslotung musikalischen Neulandes mit einhergehender Neubesetzung der Band verzockte sich Tom G. Warrior und veröffentlichte ein Haarspray getränktes, kompositorisch eher belangloses und völlig experimentfreies Album, welches CELTIC FROST gehörigen Kredit bei eigentlich allen Fans kostete, zumal auch kaum neue Hörer dafür zu begeistern waren.
Nachdem Martin Ain anschließend wieder in die Band zurückkehrte, folgte dann mit Vanity/Nemesis fast schon erwartungsgemäß die stilistische Rolle rückwärts, wobei das Songwriting zwar wieder härter wurde, dabei aber insgesamt auch straighter und nicht mehr so progressiv wirkte. Ein gutes Album, welches allerdings nicht in Gänze an alte Glanztaten anschließen und den verspielten Kredit bei den Fans nicht in ausreichendem Maße zurückgewinnen konnte. Als Konsequenz und trotz sehr guter neuer Songs (wie auf der oben erwähnten Kompilation zu hören) lösten sich CELTIC FROST daher auf, um sich einzeln neuen Herausforderungen zu stellen. Tom G. Warrior versuchte sich eine Zeitlang mit Apollyon Sun, während Martin Ain z.T. als Produzent (z.B. für die sehr geile zweite Sadness CD) tätig war.
Irgendwie war das aber trotzdem nicht das Wahre, und so geisterten vor ca. fünf Jahren die ersten Gerüchte über ein neues, echtes CELTIC FROST Album durch das Netz. Irgendwann wurden dieses Gerüchte dann auch bestätigt, aber trotzdem dauerte es noch endlos lange, bevor sich ein Label auf die vermutlich recht üppigen Kosten für die anstehende Produktion einließ. Vor ca. einem Jahr veröffentlichte die Band dann ein erstes neues Stück als Demo-Version; dabei zeigte sich Ground merkwürdig un-heavy und sehr Industriallastig, und obwohl das Stück an sich gar nicht schlecht war, versprühte es so gar nicht das typische Frost-Feeling, auf das ich wohl nicht als einziger gehofft hatte.

Century Media hatten schließlich und letztendlich zugeschlagen, so dass ich Monotheist nun wahrhaftig in den Händen halte. Die Aufmachung ist in der Limited Edition wirklich toll ausgefallen, mit einem düster-abgefahrenen, hauptsächlich in schwarz-weißen Zwischentönen gehaltenem Layout, dem kleinen Poster und der aufklappbaren CD-Hülle. Aber euch interessiert wohl hauptsächlich die Musik...
Und was soll ich sagen: CELTIC FROST haben sich tatsächlich selber übertroffen und endlich den würdigen Nachfolger ihres bisherigen, genreprägenden Schaffens aufgenommen. Denn Monotheist ist böse, dunkel, brutal, avantgardistisch, progressiv und doch von perverser Heavyness; es verbreitet die gesamte Palette zwischen totaler Hoffnungslosigkeit und stillen Momenten des Lichts. Genauso wichtig ist aber auch, dass dieses Album wieder unendlich polarisieren wird, denn Tom Gabriel Fischer, Martin Ain und die neu hinzugekommenen Franco Sesa und Eric Unala (der ja wohl schon wieder gehen durfte) gehen absolut keine Kompromisse ein und reizen sämtliche Trademarks der Band bis zum Extrem hin aus. Entweder man liebt diesen Sound, oder man hasst ihn, aber gleichgültig dürfte er niemanden lassen. Jedenfalls habe ich nur selten ein Album gehört, welches über seine gesamte Spielzeit eine so abgrundtiefe Stimmung aufgebaut und auch gehalten hat.
Bereits das erste Stück Progeny präsentiert die Schweizer in Bestform: der typische, sofort zuzuordnende Gesang, harte Gitarren mit den charakteristischen Riffs und eine morbide Atmosphäre, wie sie halt nur eine Band auf diesem Planeten hinbekommt. Auch Peter Tägtgren hat bei der Produktion definitiv alles gegeben, die Gitarren z.B. klingen ultratief und garstig und erinnern an To Mega Therion, während der Sound insgesamt unglaublich vielschichtig ist und alleine so schon eine Menge musikalischer Ebenen eröffnet, die dann auch reichlich ausgenutzt werden.
Das folgende Ground hätte ich beinahe nicht wieder erkannt, so sehr unterscheidet sich diese Version von der vorab veröffentlichten. Ein schwerer Heavy-Kracher tönt da aus meinen Boxen, finster, brutal und doch mit einem eingängigen Refrain versehen. Mit A Dying God Coming Into Human Flesh gibt es dann zunächst einen vermeintlichen Bruch. Das Stück beginnt extrem ruhig, akustisch und mit cleanem Gesang, steigert sich aber mit den so typischen, zähflüssig gedehnten Frost-Riffs immer weiter und zerbirst schließlich in einem doomigen, mächtig fieser Headbanger, der eigentlich niemanden unbewegt lassen sollte. Wie Lava kriechen die Töne aus meiner Anlage, langsam zwar, aber mit einer unaufhaltsamen Urgewalt, der man einfach nicht entkommen kann.
Dabei ist für Abwechslung reichlich gesorgt: Drown In Ashes (sehr experimentell und strange ausgefallen) und Obscured (mehr hymnenhaft) bedienen mehr den gothischen Stil der Band und würden jeder Death/Gothic Rock-Band gut zu Gesicht stehen, der Bonus-Track Temple Of Depression spielt mit Industrial-Elementen und klingt so harsch wie Pitch Shifter zu Submit-Zeiten, Os Abysmi Vel Daath ist kranker Doom pur, das sehr nach alten Klassikern klingende Domain Of Decay und teilweise auch Ain Elohim schließlich bieten schnelle Thrash-Riffs, die sich aber natürlich immer im CELTIC FROST-Rahmen bewegen. Besondere Aufmerksamkeit hat man ganz offensichtlich auf die Gestaltung der Gesangspassagen gelegt, die abwechslungsreicher kaum sein könnten und von Chören, männlichen und weiblichen Clean Vocals über Narrations bis hin zu derben Grunts und verzerrten Passagen alles abdecken, was man sich nur vorstellen kann. Überhaupt gibt es bei jedem Durchlauf neue Elemente oder Sounds zu entdecken, sowie neue (weitere) Passagen, die eine fast schon zwanghafte Faszination auslösen. Selbst die teilweise derben Rückkopplungsorgien wirken immer zweck- und songdienlich.
Aber nicht nur in dieser Hinsicht hat sich die Band das Beste für den Schluss aufgehoben, denn der musikalische Tryptych hebt die Qualität von Monotheist noch einmal enorm an. Los geht es mit dem elektronisch-noisigen Totengott, welches nur gesprochene, verzerrte Vocals enthält und wirklich krass rüberkommt. Danach folgt mit Synagoga Satanae das vielleicht beste CELTIC FROST Stück aller Zeiten. Geprägt von einer unglaublichen Intensität, von gleichzeitiger Brutalität und Schönheit, zelebriert die Band hier in mehr als 14 Minuten ein niemals langweilig werdendes Epos der Extra-Klasse, welches in einem Maximum an Atmosphäre und in Riffs für die Ewigkeit schwelgt. Wie auch beim Rest der Platte sind viele harten Riffs eher doomig geprägt, was aber sehr gut zum Gesamtsound und zum Konzept der CD passt. Fast möchte ich da schon einen Vergleich zu Neurosis ziehen, die zwar eigentlich ganz andere Musik machen, in ihrer Ausstrahlung aber durchaus eine ähnliche Präsenz aufweisen. Nahtlos geht dieses Ereignis dann in den Abschluss der Trilogie über: das ausschließlich klassisch interpretierte Instrumental Winter, welches eigentlich den letzten Teil von Rex Irae (von Into The Pandemonium) darstellt, mit seinen getragenen und von zum Sterben schönen Melodien aber auch einen mehr als würdigen Vorhang über dieses beeindruckende Werk ausbreitet.
Dazu gibt es noch Texte abseits der gängigen Klischees, auch wenn diese vordergründig betracht durchaus thematisiert werden. Zu jedem Track finden sich zudem interessante Liner Notes, und die Liste der Gastmusiker ist ganz schön lang ausgefallen, wobei sich der Aufwand und Einsatz in jedem Fall gelohnt hat.

Falls es jemand noch nicht gemerkt hat: ich bin restlos begeistert! Neben der neuen Enslaved habe ich in diesem Jahr noch nichts besseres gehört, und ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass dies auch noch eine ganze Weile so bleiben wird. 10 Punkte sind daher wirklich mehr als verdient, auch wenn ich echt gespannt bin, wie CELTIC FROST das alles live umsetzen wollen (was ich mir direkt am nächsten Wochenende sehr interessiert anschauen werde...).