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2007-07-11 AT – Oberaich - Kultursaal

Ganz Österreich ist in den Sommermonaten vom Volksmusik-Virus befallen. Ganz Österreich? Nein, ein kleines obersteirisches Dorf namens Oberaich trotzt dem übermächtigen Einfluss von Trachtenkapellen und Schlagerfuzzis mit Melodic Metal im Dreierpack. Über hundert Menschen, die von Frühschoppen und Wunschkonzerten die Nase voll haben, fanden den Weg in die Kulturhalle, um sich ein paar Stunden lang Metal um die Ohren blasen zu lassen.

:: Fotos ::

:. ARS AMATORIA ~ Takt-lose Fan-Unterstützung
Im Fall der eröffnenden Band ARS AMATORIA war es wohl vielmehr ein laues Lüftchen, das durch den gemütlichen Saal wehte. Die junge Truppe stellte ebenso wie die Hauptband des Abends eine neue CD vor, eine symphonische Rock Oper namens Lachrymal. Die ersten paar Minuten des Konzertes bescherten uns einige heitere Momente: es war ein Bild für Götter, als die Gruppe zu spielen begann und sich kein Einziger der Anwesenden näher als 5 Meter an die Bühne heran wagte. Sänger Dom konnte die müde Meute im Verlauf des Konzertes animieren und so sangen einige schon den Refrain von Metamorphosis mit. ARS AMATORIA boten eine leicht verdauliche Variante von Rock und melodischen Metal(-Ansätzen). Dom wurde gesanglich von Partnerin Tanja unterstützt, die trotz geringer Körpergröße mit einer passablen Stimme aufwarten konnte. Geigerin Verena sorgte für klassische Farbtupfer und fiedelte recht zackig drauflos. Unterhaltsam waren diese 40 Minuten durch einige Fans, die wild headbangten und sogar am Ende die Bühnenbretter stürmten. Völlig aus dem Takt begleiteten die beiden Fans die Lieder mit expressivem Ausdruckstanz und wurden sogleich mit einer CD belohnt.

:. TÝR ~ zu kurze Gänsehautschauer
Im Anschluss gab es einen musikalischen Quantensprung zu verkraften: Heri und seine Mannen von TÝR stapften während eines pompösen Intros auf die Bühne. Der Sound gestaltete sich relativ leise, doch annehmbar. Der nachdenkliche und hymnenhafte Viking Metal ist wie gemacht zum Fäuste recken und posen. Bassist Gunnar ist ja sowieso Weltmeister, wenn es darum geht, Grimassen zu schneiden und strahlte den ganzen Auftritt über wie ein Junge vor dem Weihnachtsbaum. Mir jagten die teilweise vierstimmigen Gesangsarrangements wohlige Gänsehautschauer über den Rücken und vor allem der kleine Zuschauerchor bei Hail To The Hammer hatte es in sich - die Wenigen, die TÝR kannten, waren jedenfalls sichtlich begeistert. All jenen donnerte dann die Kinnlade vor Überraschung auch in den Keller, als nach 4 (!!!) Nummern plötzlich das Saallicht anging und Heri nur lapidar ins Mikro trotzte:” Sorry, not my decision!” Ich hoffe, dass der ein paar Tage später stattfindende Gig am Kaltenbach Open Air länger andauerte! Ich hätte den von wunderbaren Melodien und heroischen Gesängen durchzogenen Heldenliedern noch viel länger zuhören können, soviel ist sicher.

:. VISIONS OF ATLANTIS ~ Performance ist (doch nicht) alles
So wurde es dann also Zeit für die Headliner des Abends, VISIONS OF ATLANTIS - und anscheinend waren 90 % Prozent nur wegen den Melodic Metallern gekommen. Der Auftritt an sich begeisterte zwar die Groupies und ersten Reihen, gab mir allerdings einigen Anlass zu Kritik. Da wäre zuallererst Sängerin Melissa Ferlaak, die in ein Tüll-Kleid gehüllt eher wie ein Clown denn eine Frontfrau agierte. Ihre Stimme wiederum ist sicherlich recht gut, doch das Gehabe auf der Bühne für meinen Geschmack unpassend. Ihr Gesangspartner Mario sorgte für den aggressiveren Teil der Vocals, doch das manchmal auftauchende Hardcore-ähnliche Gebrüll zerrte an den Nerven. Musikalisch gab es nix zu meckern, nur war diese Art von Musik mit klassischen Anleihen, recht einfach gehaltenen Schlagzeugrhythmen und speedigen Gitarren schon wo anders besser zu hören. Für mich spielen VISIONS OF ATLANTIS Tralala-Metal mit Ohrwurmmelodien, die allerdings eher nerven als mit Genuss ins Ohr flutschen. Ebenso zu bekritteln: das übertrieben selbstbewusste (oder eher selbstverliebte) Auftreten der Local Heroes - tja vielleicht stoßen die Burschen und das Mädel ja in Zukunft in Superstar-Regionen vor, wer weiß? Für heute bot der durchschnittliche Mitsing-Metal allerdings keinen Anlass zur Euphorie, da passiert einfach zu wenig in den Songs. Weniger Performance und Selbstdarstellung, dafür mehr durchschlagskräftige Songs wären wünschenswert!

 

story ©  Stormlord • pics © Janine