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Otto von Schirach

 
2007-08-06 NL – Utrecht - Tivoli

Das Vorspiel: Nach erst kürzlich überstandenen Abenteuern auf den Autobahnen Hollands war ich doch mehr als begeistert über die offerierte Mitfahrgelegenheit zum SKINNY PUPPY Konzert in Utrecht, was ja Pi mal Daumen in selber Distanz wie Amsterdam liegt ;) Und da in diesem Jahr alle Sommerfestivals jenseits meiner Möglichkeiten liegen, muss man halt mittendrin an Bands mitnehmen was geht, insbesondere jene, die sich sonst auch selten auf einer Tour blicken lassen und nur wegen der Festivals über den großen Teich kommen.

Danke an Mr. Beutolomäus Sack, der es schaffte, fünf Skuppy-Wütige in seine kleine Knutschkugel einzusargen und gute 200 km nach Utrecht zu kutschieren. Pünktlich angekommen, wurden wir dann erst mal kollektiv von den Parkpreisen in der Altstadt niedergestreckt. Statt einem stündlichen Parkplatz-Anteils-Verkaufspreis von 3,85 Euro entschieden wir uns für das Abendticket für satte 13,50 Euro, was allerdings immer noch billiger war, als die stündliche Wegelagerei. Innenstadt hin und Grachten her... das fand ich extrem übertrieben... tststs.

Der Club: Das Tivoli entpuppte sich als wirklich schöne, große und geräumige Halle mit großer Bühne, langen Gängen und der üblichen Gastronomie. Das Gelände war zur Bühne hin leicht abschüssig, so dass auch die hinteren Ränge gute Sicht hatten.
Da es - wie so oft in Holland - keinen Fotograben gab, hab ich mich sofort in der ersten Reihe eingenistet, wurde mit lecker Bier versorgt (boah, ich musste mal nicht fahren *g*) und harrte der Dinge, die da kommen würden...

:: Fotos ::

...und DAS DING hieß OTTO VON SCHIRACH und hauten einen dann auch gleich mal um! Keine Ahnung, wie man das Folgende nun am besten anschaulich beschreiben soll... Ok, ein Tisch mit nem Laptop drauf und einem Plastikhund mit leuchtenden Augen. Selbst dieser Plastikhund schaute schon unglaublich debil aus der Wäsche... Das Szenario ist nicht ungewöhnlich, es gibt ja einige Musiker, die so agieren. Soweit so gut. Eine einzelne, in einem schwarzen Umhang gehüllte männliche Person legte letzte Handgriffe an... sprang dann plötzlich wie angestochen auf und „entblößte“ sich mit dem Intro. Hervor kam OTTO VON SCHIRACH und wurde auf die ca. 400 Anwesenden losgelassen. Wie Superman gekleidet, nur in schwarz und silber, flippte dieser grenzdebile Mann wie ein Wahnsinniger auf der Bühne hin und her, drehte zwischendurch an seinen Reglern und entlockte seinem Laptop hyperschnelle, wüste Soundorgien irgendwo zwischen Techno, Industrial und Black Metal und gab dazu ultra-verzerrte Laute von sich, die jeden Old School Black Metal Sänger vor Neid erblassen lassen würden. Das Ganze war so krass, schrill, skurril, abgedreht und völlig jenseits von irgendetwas, das die meisten Anwesenden wie angewurzelt und mit großen Augen auf das Szenario starrten. OTTO VON SCHIRACH redete nicht, es gab keine Ansagen, stattdessen gab es ein völlig verstrahltes Bananen-Zottelmonster mit nem Ghettoblaster am Stil das es zu bekämpfen galt, natürlich mit einem ultra kitschigen Lichterstab...
Vielleicht sollte man hier erwähnen, das OTTO VON SCHIRACH als… ähem… Musiker nicht wirklich unbekannt ist und auch schon mit Skinny Puppy zusammengearbeitet hat…

Die halbe Stunde zum Umbauen war zwar per se gar nicht nötig, da ja schon alles bereitstand, aber jeder Anwesende war dankbar und nutzte die Zeit, sich von dem eben Erlebten zu erholen. Die Leute in den ersten Reihen schauten sich fragend an und um und versuchten auf die Reihe zu bekommen, was denn das wohl eben war, das da 30 Minuten lang über sie hinweggefegt war...

Dann gingen die Lichter wieder aus und SKINNY PUPPY enterten unter allgemeiner Begeisterung die Bühne. Will heißen... cEvin verschanzte sich wie üblich hinter seinen hoch aufgebauten Synthies und war kaum zu sehen, selbiges galt für den Live Drummer, der nur auszumachen war, wenn er sich erhob und im Stehen trommelte. Ogre verblieb die ersten drei Songs hinter einem Paravent und übte sich in Schattenspielen (Wanga sei dank, achtete danach keiner auf die 3-Song-Regel beim fotografieren, das wär ein Desaster geworden). Eröffnet wurde mit Anger, einem uralten Song vom 87iger Album Cleanse Fold & Manipulate, man ging sogar zurück bis zur Debüt EP Remission, ließ aber das 85iger Bites und 90iger Last Rites außen vor. Ansonsten war alles dabei, auch wenn man die gängige „Best-Of-Liste“ vermied. Die Mehrheit lag natürlich erwartungsgemäß mit 4 Songs auf dem neuen Album Mythmaker. Der weiß bespannte Paravent war natürlich nicht umsonst da; er bildete die Grundlage für Ogre’s Blutspuckereien und Blutsudeleien. Hätte man hinterher glatt als Kunst verkaufen können... Der Sound war eher mäßig, die Gitarre fehlte sicherlich, aber die Performance... die war sehr intensiv. Ogre hat sein Stageacting wirklich drauf und wusste sich jederzeit gezielt in Szene zu setzen. Zwischendurch schien er zwar das eine oder andere Mal zu schwächeln, verschwand nach fast jedem Track hinter seinem Vorhang (Jetlag, betrunken oder stoned?), davon ließ sich aber keiner groß stören.
Nachdem das Publikum während der ersten drei Songs eher abwartend reagierte, wurde das Feedback mit jedem weiteren Song enthusiastischer, was wiederum die Band mehr und mehr animierte, Energie in die Show zu stecken. Zum Schluss konnten beide Seiten gar nicht genug von einander bekommen, war der Beifall nahezu frenetisch, was mit 2 Zugaben belohnt wurde. Ich fand’s saustark! Auch wenn viele hinterher sagten, das es einer der schlechtesten SKINNY PUPPY Shows war. Da fehlen mir einfach die Erfahrungswerte...
Setlist: Anger, Ugli, Dogshit, Tormentor, PolitikiL, Rodent, Pedafly, Worlock, I'mmortal, Dig It, Amnesia, Hardset Head, Fascist Jockitch, haZe // Far Too Frail, Blue Serge

Fazit: OTTO VON SCHIRACH war immerhin für nen Lacher gut und eignet sich auch sonst bestens, um jemanden (musikalisch) zu ver- und erschrecken ;) SKINNY PUPPY fand ich – wie bereits erwähnt – wirklich grandios. Wie muss dann erst eine der „legendären“ Shows ablaufen? Der Weg nach Utrecht hat sich definitiv gelohnt. Die Reise war zwar beengt *lol* hat aber einen Heidenspaß gemacht. Besonders solch Konservationen zu dritt hinten auf der Rückbank eines Nissan Micra wie: „hast du ihn drin?“... „von deiner Seite, meine ich...“... “und du? Hast du’s auch gefunden?“... Die Frage von vorn: „Wie geht’s euren Beinen?“ Antwort: „Beine? Was für Beine?“... etc. Jau, war ein schöner Abend und ich sicher nicht das letzte Mal im Tivoli :)

 

story & pics © Dajana