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2006-10-16 DE – Bochum - Christuskirche

Nachdem mein Fahrer und ich, noch entzückt darüber, wie gut wir in der Zeit lagen, zuerst eine falsche Kirche angesteuert hatten, erreichten wir dennoch planmäßig Bochums Christuskirche und fanden sogar wunderbarerweise einen Parkplatz in der Nähe. Eine lange Schlange hatte sich bereits vor dem Eingang der Kirche gebildet, das Konzert war also außerordentlich gut besucht und die Bänke bis auf den letzten Platz besetzt. Glückliche Umstände bescherten uns, nachdem ich ein wirklich äußerst vergnügliches Interview mit Michael Popp von QNTAL geführt hatte, Plätze an exponierter Stelle auf der Empore, sodass wir das Konzert mich uneingeschränkter Sicht auf die Bühne in vollen Zügen genießen konnten.

:: Fotos ::

Als Vorband trat die 1997 gegründete New Yorker Formation .:: UNTO ASHES ::. (Michael Laird, Natalia Lincoln, Mariko) vor die vollbesetzten Bänke der Kirche. Und auch schon bei deren Auftritt wie später dann in vollem Umfang bei QNTAL waren die farbigen Lichteffekte einfach nur grandios und sorgten für die rechte Stimmung.
Los ging es mit einem Stück für Klavier solo, hernach folgte ein dreistimmiger a capella-Gesang. Beim dritten Stück, Ein Fluch, auf deutsch vorgetragen, war es dann vorbei mit der eher meditativen Ruhe. Zuerst in orangerotes, später in blaues Licht war die Bühne getaucht, als Leadsängerin Mariko sowohl stimmlich als auch auf der Geige überzeugte. Bei Spider Song wurde das Trio von Michael Popp an der Trommel unterstützt. Nach dem ruhigeren a capella vorgetragenen irischen Volkslied Four Loom Weaver (bei dem es anfänglich ein paar ganz kleine Intonationsprobleme gab) folgte vom 2003er Album Empty Into White I Cover You With Blood, untermalt von streckenweise relativ harten Beats, was die Vielseitigkeit der musikalischen Ausdrucksfähigkeit von UNTO ASHES einmal mehr unterstrich.
Emptiness, vom Album Grave Blessings (2005) hingegen war wieder ruhiger Vokalgesang, vom selben Album folgte Tortured By Rose Thorns, an dessen Ende sehr präzise Percussion neben flächigen Synthie-Sounds und Hackbrett-Akzenten einen Kontrast zum Gesang bildete.
Beim sehr ruhigen Occupying Force vom neuen Album Songs For A Widow (diesen Song kann man übrigens auf der Hompage als MP3 herunterladen) dominierte Frauengesang, akzentuiert von männlichen Backing Vocals und begleitet von Gitarrenklängen war die Bühne in blaugrünes Licht getaucht und die anfängliche Stimmung kehrte zurück. Das letzte Stück vom Set war schließlich ein QNTAL-Cover, Frühling. Schließlich gab es noch als Zugabe eine weitere Covernummer, Don’t Fear The Reaper (ursprünglich von Blue Oyster Cult).
Setlist: Sojourner, Quid Vides, Ein Fluch, Intacta Sum, Spider Song, Four Loom Weaver, I Cover You With Blood, Emptiness, Tortured By Rose Thorns, Occupying Force, Frühling // Don’t Fear The Reaper

Nach kurzer Umbaupause betraten Michael Popp, Syrah und Fil Groth von .:: QNTAL ::. nun die Bühne. Anfänglich blieb alles sehr dunkel und im Hintergrund mit dem Beamer an die Wand projiziert wurde der dazugehörige Videoclip von Brian Froud (auf der HP anzusehen), als Syrah mit dem sehr sphärischen Stück Von Den Elben (vom neuen Album Silver Swan) einsetzte. Der Einsatz der live-Drums machte den Instrumentalteil druckvoller.
„Wir wollen euch einladen in Spiegelwelten und zu einer Reise in eure eigene Phantasie.“ kommentierte Syrah das Intro zu Dulcis Amor. Die Bühne war erst in grünes, dann in pink-blaues Licht getaucht. Zum zweiten Mal erst spielten QNTAL in einer Kirche.
Das Palästinalied von Walther von der Vogelweide offenbarte ein beeindruckendes Zusammenspiel von Lichteffekten und Musik. Die Bühne war nun in rot und weiß beleuchtet.
Beim folgenden Monsieurs Departure (M. Popp: „Das schönste Lied, das es derzeit von QNTAL gibt!“) kamen die drei Musiker von UNTO ASHES mit auf die Bühne, um QNTAL als „Mini-Orchester“ zu unterstützen. Multiinstrumentalist Michael Popp dozierte ein wenig über das indische Instrument, das er nun spielen würde, die Dilruba, einer Mischung aus Esraj und Sitar, und betonte, dass das heutzutage kaum noch jemand beherrsche außer einem indischen Großmeister, von dem es ein Video zur Einführung gäbe. Darauf Syrah scherzhaft: „Danke, Herr Dr. Popp!“ und er entgegnete „Ich will ja, dass Ihr was lernt!“
Gesanglich unterstützt wurde Syrah von den beiden Damen von UNTO ASHES, eine von beiden spielte zusätzlich noch Geige, während Michael Laird die Drehleier bediente. Die Bühne war in blaues Licht getaucht und an die Wand wurden Wolkenformationen projiziert. Auch beim folgenden tänzerischen The Whyle wurde QNTAL mit Geige und Drehleier von den UNTO ASHES-Musikern unterstützt. Michel Popp spielte Gitarre. Die Bühne war in warmen orange/gelb/rot-Tönen gehalten und im Hintergrund zu sehen waren sich windende Kreise, die den beschwingten Charakter des Songs kongenial untermalten.
Das folgende Levis, wiederum vom Album Silver Swan, wurde ebenfalls musikalisch von UNTO ASHES unterstützt (Hackbrett, Geige), mystisch-schön, aber durchsetzt mit nachdrücklich vorantreibenden Percussions, nun von blau/violettem Licht bestrahlt. Ein einzelner mutiger Ausdruckstänzer aus dem Publikum schlängelte sich dazu durch den Gang zwischen den Sitzreihen.
Bei Amor Volat herrschte ein eher moderner Sound vor. Die E-Gambe, von M. Popp zuvor gestrichen, nun gezupft, das dominante Schlagwerk, flächige Keyboard-Sounds und die etwas hektischeren Lichteffekte mit weißen wabernden Kreisen, während die Bühne allgemein in blau und grün gehalten war, all dies verstärkte diesen Eindruck.
Starker Kontrast dazu das folgende sehr ruhige Falling Star. Die Bühne war sehr dunkel in blaues und lila Licht getaucht, die Gastmusiker waren wieder mit Geige und Drehleier vertreten und auch die indische Dilruba kam wieder zum Einsatz. Das Schlagzeug setzte auch leise Akzente. Ein stilisierter Sternenhimmel wurde an die Wand projiziert. Es war kaum Bewegung auf der Bühne und in der ganzen Kirche ansonsten kein Mucks zu hören. Eine wundervolle Stimmung, die visuellen Effekte passten wirklich hervorragend zur Musik.
Zum nächsten Stück, Entre Moi, bekannte Syrah, es sei ihr Lieblingslied. Nun herrschte wieder Bewegung auf der Bühne, kräftige, fast stampfende Beats dominierten, über die sich Syrahs Gesang erhob und um die er sich herumschlängelte. Beim folgenden Veni war nun die Ruhe vollends verflogen und die Kirche wurde erfüllt von diesem bisher lautesten und aggressivsten Stück des Abends. „Veni“ und andere Textteile wurden akzentuierend an die Wand projiziert. Die Bühne war in blau, grün und weiß beleuchtet.
Beim altfranzösischen Amis Raynaut, wieder vom neuen Album, konnte man sich von dem vorangegangenen Soundgewitter erholen, Wolkentunnel waren an der Wand zu sehen und das Licht war blau/grün.

Lingua Mendax wurde wieder von den Gastmusikern unterstützt und der fröhliche Rhythmus wird von bunten Lichtern in rosa, blau, grün und weiß untermalt. Syrah spielte Schellentrommel und lud zum Tanzen ein.
Beim letzten Stück, Ecce Gratum, bevor die Zugaben kamen, wurde den Mitwirkenden Dank ausgesprochen, allen voran den Ton- und Lichttechnikern, die wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet hatten. Dann war die Bühne in Nebel und grünes und blaues Licht gehüllt. Der lateinische Text wurde von Syrah im stakkato, fast schon wie Sprechgesang, vorgetragen, gegen Ende spielte sie Flöte. Zwischenzeitlich wurde der Raum passend zum kräftigen Rhythmus, von stroboskopartigen Lichteffekten erhellt. Zum Schluss sprachen alle den Text und es entstand eine äußerst mitreißende Performance.
Nach ausgiebigem Beifall gab es als erste Zugabe Unter Den Linden. Michael Popp spielte auf einer Glasharmonika (das sind einige Gläser auf einem kleinen Tisch, die jeweils unterschiedlich mit Wasser gefüllt sind und über deren Rand man mit den Fingern streicht, wobei ein ziemlich ätherischer Ton entsteht). Das Bild einer Linde wurde im Hintergrund an die Wand projiziert und durch das dominierende blau-grüne Licht drangen malerisch einzelne weiße Scheinwerfer wie die Sonne durch ein Blätterdach.
Die zweite Zugabe Ad Mortem Festiamus stand an Lautstärke und Wucht dem früheren Veni in nichts nach. Ein brennender Ring war an der Wand zu sehen, dazwischen Wellen. Die ganze Kirche bebte von den lauten Beats und dem scharf akzentuierten Sprechgesang. Die flackernden Scheinwerfer in blau, rot und weiß taten ihr übriges, es war das brachialgewaltigste Stück des Abends, das QNTAL schließlich stehende Ovationen bescherte. Grandios.
Zuletzt gab es nach den harten Rhythmen das ruhige Flow My Tears von John Dowland zu hören, welches das erschütterte Kirchengemäuer mit sakralen Klängen wohl wieder zu versöhnen trachtete. Das Keyboard klang dazu wie ein Cembalo und das Schlagzeug mit den hallenden Akzenten machte das Lied fast etwas kitschig, aber nur fast. ;-)
Zuletzt bleibt mir zu sagen, dass ich dieses Konzert vor allem wegen der kongenialen Lichteffekte und dem wirklich ausgezeichneten Sound in der Bochumer Christuskirche wohl nicht so schnell vergessen werde. Beeindruckend auch das gekonnte Zusammenspiel der beiden Bands. ;-)
Setlist: Von Den Elben, Dulcis Amor, Palästinalied, Monsieurs Departure, The Whyle, Levis, Amor Volat, Falling Star, Entre Moi, Veni, Amiy Raynaut, Lingua Mendax, Ecce Gratum // Unter Den Linden, Ad Mortem Festiamus, Flow My Tears

 

story Semiramis • Fotos Jonas