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Blutengel - Decoded Feedback - Solitary Experiments - Cephalgy - Aesthetic Perfection

 
2005-11-09 DE – Oberhausen - Eisenlager

Pünktlich zur kalten und dunklen Jahreszeit lockte das OUT OF LINE Label zum Indoor-Festivalvergnügen in Form einer Werkschau der elektronischen Art. Das diesjährige Billing konnte zwar nicht wie im letzten Jahr mit Namen vom Schlage Hocico’s glänzen, jedoch prangten mit BLUTENGEL und DECODED FEEDBACK nicht gerade unbekannte Namen auf den Plakaten und noch nicht so ganz etablierte Formationen wie SOLITARY EXPERIMENTS, CEPHALGY und die jungen Newcomer AESTHETIC PERFECTION rundeten das Line-up ab, so dass die Weichen für einen spannenden Konzertabend gestellt sein sollten. Das Eisenlager zeigte sich mit einem erstaunlich gemischten und relativ hohen Altersdurchschnitt versehenem Publikum gut gefüllt. Gängige Szeneklischees vom Blutengel-Girlie mit Eddingkunstwerken im Gesicht konnten glücklicherweise nicht bestätigt werden.

:: Fotos ::

:: AESTHETIC PERFECTION :: legten so pünktlich los, dass wir die ersten Lieder verpasst haben und boten mit ihrem starkem Album Close To Human als Rückhalt einen kurzweiligen Gig. Das Duo inszenierte sich mit einer gehörigen Portion Farbe im Gesicht bzw. Blut auf der Kleidung und Hairextensions auf dem Kopf, wobei der Sänger den stimmlich extrem krächzigen – er und seine Wasserflasche wären fast zu einer Einheit verschmolzen - und zappeligen Part an der Bühnenfront übernahm während der Keyboarder ästhetisch verstümmelt blutverschmiert seelenruhig die Technik im Auge behielt. Der Frontmann bemühte sich mit hoher Professionalität trotz seines jungen Alters sichtlich, dass Publikum mit seiner energiereichen Performance zu animieren, was auch bei einigen Erfolg hatte, da AESTHETIC PERFECTION die ambientartigen Stücke ihres Longplayers weitestgehend außen vor ließen und Tanzflächenknaller der härteren Electronic wie Sacrifice oder Coward ins Publikum ballerten. Stilistisch liegen AESTHETIC PERFECTION zwar extrem im Fahrwasser der Genregröße Hocico aber mit einer Portion mehr Eigenständigkeit dürfte die Formation noch einiges an Erfolg einfahren. Für mich die Überraschung des Abends.

Mit :: CEPHALGY :: wurde die Härteschraube ein Stück zurückgedreht und mit etwas ruhigeren, melodiösen Sounds etwa im Stil früherer Terminal Choice Veröffentlichungen eher die Blutengelfraktion im Saal angesprochen. Die Band trat nicht in vollständiger Livebesetzung an, so dass sich die Aufmerksamkeit auf Sänger und Mastermind Jörg, der seine Sonnenbrille während des gesamten Gigs klischeehafterweise nicht abnahm und Keyboarder Ronny reduzierte. Der Tastenmann fabrizierte mit Hilfe seiner mit zwei Leuchten versehenen Brille sozusagen eine zusätzliche Lightshow. Das waren auch schon die Highlights des Konzertes, denn CEPHALGY konnten mich mit ihrer ansonsten statischen Bühnenshow und wenig aufregenden Songs ihres neuen Albums Finde deinen Dämon nicht überzeugen, so dass der Auftritt an mir vorbei flog aber vom Publikum mit einigem Applaus bedacht wurde. Man konnte letzten Endes jedoch nicht davon sprechen, dass so etwas wie richtige Stimmung aufkam.

Nach dem schlichten Sound von Cephalgy wurde es mit :: DECODED FEEDBACK :: wieder härter und zugleich vielschichtiger. Der kanadische Zweierpack servierte einen oldschooligen Mix aus EBM und Industrial mit dem Teile des Publikums sicherlich wenig anfangen konnten. Hüne Marco gab auf der Bühne den alternden Electropunk mit bunten Haaren wie variantenreichen Vocals und dabei immer in Bewegung. Seine Mitstreiterin Yone mimte den ruhigen Gegenpart an den Synthies. Etliche Songs von ihrem aktuellen Album Combustion wie der gleichnamige Titeltrack oder das an Velvet Acid Christ erinnernde Slut-Thrash konnten live überzeugen, während beim Hit Phase zum ersten Mal an diesem Abend so etwas wie ernsthafte Körperbetätigung unter den Konzertbesuchern aufkam.

Die mühsam aufgebaute Stimmung im Publikum konnten :: SOLITARY EXPERIMENTS :: mit einer soliden Electroperformance halten und durch ihre eingängigen und vor allem tanzbaren Songs noch etwas steigern. Die drei Herren starteten mit Odyssey Of Mind mächtig durch, vor allem konnten die variablen Vocals von Sänger Dennis überzeugen, leider verabschiedete sich beim zweiten Song das Mikro - die einzige Panne eines ansonsten reibungslos ablaufenden Festivals, die zügig behoben werden konnte. Man merkte an den Posen des Sängers, dass vorher anscheinend ausgiebig geprobt worden ist. Dementsprechend überzeugend zeigte sich die Performance und machte den Electrostilmix aus etwas härteren Songs und in die Synthiepop-Schiene gehenden Nummern zu einer angenehmen aber auch nicht hochspektakulären Angelegenheit.

Erwartungsgemäß spektakulär sollte der Gig von :: BLUTENGEL :: werden, sozusagen als extremer Kontrast zu den eher schlichten Auftritten der restlichen Bands des Abends. An der Musik und an der Bühnenshow scheiden sich die Geister. Darauf soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Klar war jedenfalls, dass sich die meisten der Anwesenden wegen BLUTENGEL im Eisenlager eingefunden hatten. Die T-Shirt-Dichte sprach Bände. BLUTENGEL zogen alle Register: Videoleinwand mit auf die Songs abgestimmten Bilder- und Videosequenzen aus ihrer Live-DVD, spezielle Rollenspiele mit Blut (Bloody Pleasures), Ketten, ominösen Herren in Kapuzenkutten, Fackeln, unzählige Kostümwechsel (von sehr leicht bekleidet bis zum Abendkleid). Das kannte man ja zum größten Teil schon von früheren Konzerten der Formation um Chris Pohl. Spannende Frage war, wie sich die neue Sängerin Ulrike Goldmann (ehemals SAY Y) einfügen würde. Sie stellt auf jeden Fall eine stimmliche Bereicherung dar und durfte Seelenschmerz allein auf der Bühne performen, wie auch insgesamt Constanze Rudert ihre sonst live nicht gerade überzeugende Gesangsleistung überraschenderweise deutlich gesteigert hat. Musikalisch präsentierten BLUTENGEL einen weit über anderthalbstündigen Rundumschlag wie beispielsweise das lauthals geforderte und prompt gespielte Solitary Angel aus den mittlerweile etlichen Veröffentlichungen der Bandhistorie, der wirklich jeden Anhänger zufrieden stellen sollte, was letztlich zu ausgelassener Stimmung unter den noch Anwesenden geführt hat, lichteten sich die Reihen doch mit zunehmender Konzertlänge. Ihre Fans entließen sie mit dem Gassenhauer Children Of The Night und einer abschließenden Konfettibombe mit einem Paukenschlag nach Hause oder auf die Aftershowparty, bei der sich einige der Musiker des Abends unters Volk mischten.

Alles in allem ein perfekt organisierter Festivalabend ohne große Ausfälle, der Vorfreude aufs nächste Jahr weckt. Schade nur, dass die Stimmung im Publikum bis auf den Headliner BLUTENGEL noch steigerungsfähig war. An den Bands hat es jedenfalls in den allermeisten Fällen nicht gelegen.

 

story & pics © Daniel