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2006-11-04 AT – Graz - Explosiv

Gerade passend zum verfrühten Wintereinbruch in Österreich luden drei Bands zu einem etwas anderen Konzertabend. Keine E-Gitarren, keine Keyboards und auch sonst nichts, was die heimelige Atmosphäre der Entspannung im gemütlichen Club Explosiv stören hätte können. Leider wird die ehrwürdige Grazer Location, von Einheimischen gerne kurz und liebevoll Explo genannt, in Kürze ihre Pforten schließen und umziehen. So stellte dieser akustische Abend eine der letzten Gelegenheiten dar, in der gewohnten Wohnzimmerumgebung wehmütig Abschied zu nehmen.

:: Fotos ::

Was bringt es, wenn auf dem Flyer 19.30 Einlass und 20 Uhr Beginn steht? Richtig, in der Regel gar nix! So standen wir auch vor verschlossenen Toren, als wir ausnahmsweise mal pünktlich beim Explosiv eintrudelten. Nach 15 Minuten Wartezeit in der Kälte durften wir endlich das Gebäude betreten. Es ging auch schon eine halbe Stunde später mit der eröffnenden Band :: LAPIS SERPENTIS :: los. Die Wiener Formation war ausgezogen, um das Publikum mit mittelelterlichen Klängen den Abend zu versüßen. Mit Flöten und allerlei anderen Blasinstrumenten verbreiteten sie gute Laune, es wurden Geschichten erzählt und so wirkten LAPIS SERPENTIS wie direkt von einem Mittelaltermarkt entführte Spielleute. Einziges Manko der Darbietung war die fehlende Abwechslung, die nach ein paar Liedern dazu führte, dass sich die Melange doch eintönig anhörte. Die Band war mit den nicht gerade enthusiastischen Resonanzen dennoch zufrieden, mehr als Sympathiepunkte konnten die Mittelaltermusiker aber nicht einfahren.

Ein wenig anders sah die ganze Sache bei den folgenden :: FLOODLAND :: aus. Wie auch schon im Vorprogramm von Anathema bewiesen die Jungs Gefühl für angenehme Harmonien und Sänger Christian legte all seine Emotionen in die mit Leib und Seele intonierten Songs, die von seinem stimmlichen Ausdruck lebten. Er versank förmlich in musikalischer Trance, so hatte er des Öfteren seine Augen geschlossen und seine Gesten wirkten authentisch und intensiv. Auch Gitarrist Bernhard hauchte der Musik ein besonderes Flair ein, die Akustikgitarrensoli waren jedenfalls allererste Sahne. Ob nun die Finger filigran flitzend oder sanft zupfend das Griffbrett bearbeiteten - er bot eine herausragende Leistung. Dezent im Hintergrund die Rhythmusabteilung mit den beiden Haralds an Bass und Schlagzeug. Die vorher bemängelte Eintönigkeit hatte hier bei FLOODLAND keine Chance, manchmal wurde es ein bisschen pathetisch, doch glücklicherweise nie kitschig. Sehr schön!

Die Umbaupause mit Soundcheck gestaltete sich kürzer als erwartet und schon war es Zeit für den Kopf von :: DORNENREICH ::, Eviga, und seinen Begleiter Thomas (Violine), die Stimmung weiter zu intensivieren. Die Musik der Tiroler ist ja wie geschaffen, um unter die Haut zu gehen, sowohl mit Strom oder mit rein akustischen Hilfsmitteln. Mir gefiel der stimmliche Ausdruck von Eviga heute sehr gut, sein wisperndes, hauchendes Timbre einerseits und die aggressive Kreischvariante dem kontrastierend gegenüberstehend untermalte die spärlich intonierten Kompositionen hervorragend. Seine spitzen Kreischlaute kamen in der leisen akustischen Umgebung besonders gut zur Geltung. Für mich persönlich schien einzig die Auswahl des Liedguts nicht die Allerbeste zu sein. So erstreckten sich die rein instrumentalen Passagen über mehrere Minuten, ohne vom charakteristischen Gesang durchbrochen und dadurch aufgewertet zu werden. Natürlich waren die beiden Künstler an diesem Abend an ihren Instrumenten technisch versiert und fehlerlos, doch ein großer Teil der Besonderheit DORNENREICHs macht eben die lyrische Komponente aus. Einige Zuseher, oder besser gesagt „nur“ Zuhörer, lauschten oftmals mit geschlossenen Augen völlig versunken den gefühlvollen Liedern, die für meinen Geschmack nur leider stellenweise zu wenig Dynamik zu bieten hatten. So wurde nur vereinzelt ein flotterer Takt angeschlagen und das fand ich schade. In höchstem Maße unpassend fand ich aber in diesem Zusammenhang die „Langweilig!“ - Zwischenrufe aus den hinteren Reihen, die die aufgebaute Stimmung in sich zusammenfallen ließen. Ich hoffe dass solche Störenfriede einfach in Zukunft die Halle verlassen mögen... Der Großteil der Anwesenden spendete jedoch begeistert tosenden Applaus und auch für mich gab es ein paar Gänsehautmomente, egal ob nun Lieder von Hexenwind, Her Von Welken Nächten oder Durch Den Traum gespielt wurden. Ich weiß nicht genau wie lang das Konzert dauerte, aber das Publikum war für mehr als eine Augenblick entrückt und trat am Ende mit einem melancholischen, vielleicht nachdenklichen Gemütszustand den Heimweg an. Um für eine Kurzzusammenfassung die Meister selbst zu zitieren: ein Gefühl, dem kein Wort folgen kann!!!

So manchem Fan dürfte die eisige Kälte der Grazer Nacht wieder zurück auf den Boden der Tatsachen geholt haben. Für einige war der Abend aber keinesfalls zu Ende. Im nicht weit entfernten Lokal TickTack feierte eine kleine aber feine Runde bis in die Morgenstunden. Wehmütiger Bestandteil so einiger Wortgefechte: die Schließung vom „Explo“, das wohl jedem Grazer ans Herz gewachsen ist. Du wirst uns fehlen!

 

story © Stormlord • pics © Janine