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2006-09-21-24 DE – Rosslau - Wasserburg Rosslau

Nachdem mich im letzten Jahr das Billing und das Rahmenprogramm zur Erstausgabe der BURGNÄCHTE zur Burg Rosslau enorm begeistert hatte, ich aber nicht daran teilnehmen konnte, hab ich in diesem Jahr alles so arrangieren können, das dem herbstlichen Festival nichts mehr im Wege stand. Doch vor dem Vergnügen hat – wer auch immer – die Anfahrt gesetzt. Für 400 km brauchte ich dann auch geschlagene 6 Stunden über den Moloch A2, und das bei bombastischem Wetter, will heißen, pure Sonne und knapp 30°C. Endlich in Dessau angekommen, hab ich dank wegweisender Beschreibungen von Einheimischen, die Stadt erst mal mit dem Auto intensiv ergründen dürfen, bis ich mich auf meinen recht guten Orientierungssinn verließ und dann doch noch den Stadtausgang Richtung Rosslau fand.
So bin ich dann auf dem Parkplatz der Burg eingetroffen, als bereits die erste Band zu spielen begann. Also flux die Sachen zusammengewürfelt und ab zur Burg gestiefelt...

:: Fotos ::

FREITAG 22. September

...wo :: MONOZID :: bereits den ersten Schwung ihres Sets runtergespielt hatten. Vielen anderen erging es scheinbar ebenso, denn auf dem Burggelände tummelten sich vielleicht 200 Leute. Trotzdem fand die rare Schar Gefallen am rockigen Düsterwave des Trios aus Leipzig.

Statt PUNISH YOURSELF, auf die ich mich eigentlich irre gefreut hatte, spielten :: KATANGA :: da die Franzmänner ihre gesamte Tour auf Grund von Bookingproblemen abgesagt hatten. Nun ja, die Greifswalder gaben sich Mühe, auch wenn der Sänger mit angeschlagener Stimme fungierte. Die Sängerin versuchte zwar ein bisschen Bewegung auf die Bühne zu bringen, agierte aber viel zu stereotyp, um den Funken überspringen zu lassen. Nein, ein würdiger Ersatz für die Franzosen war das wohl nicht... vielleicht konnten sie mich auch deshalb nicht überzeugen.

Mit der Musik im Rücken machte ich mich dann erst mal auf, die Burg zu erkunden. Die Burg Roßlau ist eine aus dem 12. Jahrhundert stammende Wasserburg, welche auf den Resten einer slawischen Siedlungsburg errichtet wurde. In der Burg selbst mit seinem abschüssigen Burghof gab es eine kleine Bühne für die Akustikkonzerte, und in den Gewölben eine Wein-/Cafestube, eine Ausstellung von www.Incestum.de - Abstruse Skulpturen - und ein Gewölbe für ne Disco. Um die Burg herum gab es die Mauer mit dem Torhaus, in welchen in den Umbaupausen die Kurzfilme liefen und am Samstag eine weitere Disco stattfand, die Freilichtbühne und eine Reihe an Food- und Getränkeständen, Crepes, Schmuck, Klamotten, Met- und Weinstände, Bogenschießen... etc. Die Burg machte einen recht ungepflegten Eindruck, die Grünanlagen waren verwildert, viele Fenster der Burg kaputt, verbrettert oder einfach mit Folie bespannt. Da fehlt wohl – wie immer – das nötige Geld, um aus der Burg wirklich ein Schmuckstück zu machen. Vor der Burg fließt die Rossel, hinter der Burg beginnen die Elbauen und natürlich die Elbe. Eigentlich ein sehr romantisches Gelände, dem nur die pflegende Hand fehlt…

Weiter ging es mit den :: GOLDEN APES :: deren Sänger irgendwie ziemlich depressiv oder sonstwie angeschlagen war. Nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen?) legten die Berliner eine melancholisch-schöne Gothic Rock Show hin, konnten mich ein weiteres Mal rundum überzeugen und schlossen mit der wundervollen Ballade Snow. Einfach nur schön!

Danach schaffte ich es dann endlich, mir die ersten Kurzfilme anzuschauen. An diesem Freitagabend standen weitestgehend Kurzfilme von CHRISTIAN VON ASTER auf dem Programm. „Gereimte Garstigkeiten voll von aufdringlicher bösartiger Satire, mäßig gutem Geschmack und anstößigem Humor“. Nur das Reimen selbst ging mir irgendwann auf die Nerven. Sechs dieser Filme gibt es übrigens auf der DVD: Kopfbrandstifter – Eine fies vergnügliche Satire DVD (http://www.kopfbrandstifter.de/)

Nun war es Zeit für :: SCREAM SILENCE :: , die schon auf dem Castle Rock zu überzeugen wussten. Hier wurden sie von ca. 500 schwarzen Seelen regelrecht abgefeiert, was die Band mit einer grandiosen Show honorierte. Zu zwei Stücken wurde erstmalig ein Streichertrio auf die Bühne geholt (2 Violinen, 1 Kontrabass), was ziemlich gut ankam. Zum Schluss gab es mit Harvest einen brandneuen Song, der erst einmal geprobt wurde und trotzdem hervorragend klappte ;) Leider keine Zugabe trotz vehementer Rufe. Tolle Show!

Neben den üblichen Raubzügen an Met-, Bier- und Foodständen zog es mich immer wieder zu der Skulpturen Ausstellung. Insbesondere angetan war ich von einer Figur, die ich mal frech als Drachen interpretierte, die auch „drchnflg“ heißt, aber wohl eine Libelle in Abwehrhaltung darstellen soll. Ein wirklich schönes Objekt. Ich war regelrecht fasziniert... *grübel*... *nachdenk*...

Mit :: THE DREAMSIDE :: präsentierte sich eine Band, von der ich bisher noch nie etwas gehört hatte. Die Holländer um Frontfrau Kemi Vita waren mir zunächst äußerst suspekt, was wohl daran lag, das der Gesang viel zu leise rüberkam und überhaupt nicht wirkte. Dann entwickelten sie sich aber mit rasanter Geschwindigkeit zu einem absoluten Ohrwurm. Wahnsinnig treibende Rhythmen und dazu Songs wie Open Your Eyes, ein absoluter Smashit. Absolutes Highlight war aber ohne Zweifel Feuertänzerin Medusa, die mit ihren feurigen Spielchen, lasziven Bewegungen und wilder Mimik den Fans gnadenlos einheizte... Grandios!

Inzwischen war die erste (Aftershow)Disco im Gewölbe des Burginnenhofes im Gange. Der Alkoholpegel des schwarzen Volkes stieg und ließ einzelne Gestalten doch recht... ähm... amüsant herumirren. Ich für meinen Teil schaute mir derweil eine Doku über Klaus Nomi an...

:: CLAN OF XYMOX :: ließen dann den ersten Festivalabend mit einer weiteren atemberaubend schönen Show ausklingen. Die Holländer gehören ja schon seit langen zu meinen bevorzugten Bands, auch wenn ich das alte wavige Material lieber mag, als das neue, mehr electro-orientierte, welches auch den Großteil des Sets reflektierte. Nichtsdestotrotz haben alte Glanzstücke wie Jasmin & Rose und Louise nicht gefehlt :) Und Medusa stand nun vergleichsweise harmlos brav hinter ihrem Keyboard, auch wenn man ihr die Wildheit und Energie zu jeder Zeit ansah ;) Da gibt’s nicht viel zu sagen, einfach nur eine fantastisch schöne Show!

Unter sternenklarem Himmel wanderte das Volk dann in den Burginnenhof, wo sich die amerikanische Gothic/Wave Ikone :: EVA O. :: die Ehre gab. Die zierlich-kleine alternde Vampirin mit spitzen Eckzähnen und dramatischem Make-up präsentierte bittersüße akustische Songs wie The Beauty Of Hell mit ihrer kehlig rauen Stimme und faszinierte das Publikum. Begleitet wurde sie von Le' rue Delashay auf dem Keyboard (dessen modern-klassischen Orchestrationen mich irgendwie an Midnight Syndicate erinnern).

Um 3 Uhr morgens war dann Zapfenstreich – solange habe ich allerdings nicht durchgehalten. Ich schleppte mich bereits gegen halb zwei müde und metseelig zu meinem Auto und machte es mir gemütlich. Bei ca. 10°C war’s dann aber doch recht frisch...

SAMSTAG 23. September

Dafür trieb einen dann die Sonne morgens zeitig wieder aus den Federn, denn das Auto verwandelte sich im Nu in einen Backofen und verkündete einen weiteren sonnigen Tag bei strahlendblauem Himmel, 28°C und einer kräftigen Brise... ;)
Ganz so eilig hatte ich es dann aber doch nicht, so dass ich mich erst um die Mittagszeit wieder auf dem Gelände einfand und erst mal ein kräftiges Frühstück aus belegten Brötchen, Rührei, Berliner und Kaffee verputzte ;)
Danach schaute ich mir im Torhaus die Vernissage von Jörg Gründler an, der dort seine düster-romantischen Lightbrush-Fotografien ausstellte. Mit dem Einfall des Tageslichtes konnte man dann doch einiges mehr erkennen, als am Abend zuvor... ;)
Den Rest der Zeit bis zur ersten Band verbrachte ich dann damit faul in der Sonne rumzuliegen und mich über einzelne, immer noch vorhandene DDR Reliquien zu amüsieren, die mir ein gewisses Gefühl von „zuhause“ vermittelten.

Um 2 Uhr nachmittags ging es dann endlich weiter. Mit :: REPTYLE :: aus Bielefeld standen für mich alte Bekannte auf der Bühne, auf deren Show ich mich richtig gefreut hatte. Da gab’s mal so nen „legendären“ Gig zusammen mit Funhouse in Herford... Für Musik und Crew war es definitiv zu hell, Sänger Zulu musste ob des grellen Sonnenlichtes ständig blinzeln, was ihn aber nicht von den großen Gesten und Posen abhielt. Beim Gesang spitzte ich einmal mehr die Ohren, weil es irgendwie noch immer die eine oder andere Tonlage gab, die nicht zu passen schien. Also alles beim Alten ;) Musikalisch gab es gepflegten Gothic Rock mit superben Melodien und 2 brandneuen Stücken, die hoffentlich in nächster Zukunft mit dem bereits fertiggestellten Album Consequence erhältlich sein werden.

:: SPLINTER X :: konnten anschließend wenig überzeugen, was aber nicht an etwaiger schlechter Musik lag, sondern daran, dass das Fußvolk einfach noch viel zu relaxt und sonnenlethargisch agierte. Der androgyne Sänger Ben reagierte darauf dann auch etwas verstimmt und wollte den Gig bereits nach der Hälfte des Sets beenden. Glücklicherweise rafften sich dann doch noch ein paar mehr Fans auf und zollten der Band Beifall und so gab’s das volle Programm aus sanften PopRock-Klängen.

In der Zwischenzeit lassen sich die Jungs von FUNHOUSE draußen blicken, so dass man mal schnell Hallo sagen kann und über jenen bereits erwähnten Gig anno 2004 lästert. Sänger Mike macht aus dem Bandnamen als Erklärung erst mal ein „Frauenhaus“ und witzelt, das es wieder jede Menge „ex-wife-songs“ geben wird...

Davor jedoch spielen erst mal :: COINSIDE :: , die gleich mit eigenem Fanclub angereist waren, so schien es zumindest, einheitlich mit dem T-Shirt zum 10-jährigen Bestehen der Band gewandet. Es gab hammerharten EBM/Industrial mit treibenden Beats und den Übersong Hexenhammer (vorgetragen mit Henkerskapuze und rotem Buchwerk), der es dann doch schaffte, das relaxte Volk zu motivieren. Übrigens, die Texte der Band sind recht interessant...

Mit :: AGE OF HEAVEN :: gab es anschließend schnörkellosen Gothic Wave im 80iger Jahre Stil, gut gemacht, aber irgendwie ohne eigene Identität. Die Leipziger schaffen es nicht wirklich sich von den großen Idolen zu lösen.

Bei herbstlichen Blätterregen wandeln derweil verschiedenste Gaukler und eine Fee über das Festivalgelände. Dazwischen schau ich mir wieder den einen oder anderen Kurzfilm und stopf mir den Magen mit allerlei leckeren Sachen und Getränken voll (rote Fassbrause gegen die Hitze und natürlich Kirschmet, Becks und Tequila...)

Dann ist es endlich Zeit für das „Frauenhaus“ *lol*. :: FUNHOUSE :: sind definitiv mein persönliches Highlight des Festivals. Die Schweden versprühen so unglaublich gute Laune, das davon jeder umgehend angesteckt wird. Trotz langer Bühnenabstinenz in Deutschland sind FUNHOUSE immer noch irre beliebt, rocken das Festival wie Hölle. Scherzen und witzeln und bringen das Volk zum lachen. Neben den klassischen „ex-wife-songs“ (vornehmlich vom Flames Of Love Album) gab es auch hier ein brandneuen Song, nämlich You Don't Want To Know Me. Das Depeche Mode Cover Never Let Me Down allerdings kommt an das Original nicht heran. Sorry Jungs. Trotzdem geile Show!!!

Mit :: STENDAL BLAST :: wird es bereits wieder dunkel, so dass sich nun die geballte Festivalschar tatsächlich innerhalb der Burg befindet und das Trio frenetisch feiert. Es ist übrigens der einzigste Gig der Band in 2006. Zunächst kommt Sänger Kaaja im Safari-Look und Tropenhut auf die Bühne und gibt eine Geschichte über einen großen Optiker und seine „Festivalbrille“ zum Besten, um dann brillenlos mit heftigen Electrobeats die Fans glücklich zu machen. Mit ironisch bis sarkastischen Texten wird das menschliche Zusammenleben auf’s Korn genommen.

Bei :: THE INVINCIBLE SPIRIT :: lässt meine Aufmerksamkeit dann stark nach. Bassistin und Keyborder stehen wie angenagelt, während der Sänger keine Sekunde auf dem selben Fleck bleibt. Obwohl es auch hier treibende Electro/EBM Rhythmen gibt, können mich Songs wie Push trotzdem nicht von den Füßen hauen. Allerdings stehe ich relativ alleine mit meinem Befinden da, denn die Mehrheit des Publikums ist hellauf begeistert.

Es folgte die Britische Kultband :: INKUBUS SUKKUBUS :: , die mir bereits 2003 schon mal festivalmäßig über den Weg lief. Einmal mehr fegte Frontfrau Candia Ridley unglaublich ernergiegeladen über die Bühne, hopste, kniete oder lag den Fans zu Füßen, wisperte, sang und hauchte ihre Songs ins Mikro. Selbiges machte die Eskapaden nicht allzu lange mit, so dass sie den Mikroaufsatz einfach so weiterbenutzen musste. Das männliche Publikum lag wiederum ihr zu Füßen... ;)

Die FAULÉE TAUBÉE Feuershow danach hab ich dann allerdings verpasst, da ich mir was Dickeres zum anziehen aus dem Auto holen musste. Als ich zurückkam sah ich nur noch die Feuerspitzen, denn das Areal vor der Bühne war dicht umlagert. Da inzwischen aber auch die Aftershow Disco im Torhaus gestartet war, hörte ich mir stattdessen im Warmen ein paar alte Klassiker an ;)

Mit dem Headliner des zweiten Tages :: ZERAPHINE :: wurde das BURGNÄCHTE FESTIVAL pro forma erfolgreich beendet. Zu den Berlinern muss man – glaube ich – nichts mehr groß erzählen. Die Show war fantastisch, der Schwerpunkt lag musikalisch auf dem aktuellen Album Still. Die Fans standen dichtgedrängt vor der Bühne und feierten die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Wer von ZERAPHINE nicht genug bekommen kann... am 31. Oktober startet die große Deutschland Tour ;)

Nach einer weiteren Stippvisite bei der Aftershow Disco und zwei, drei Akustiksongs von :: SWANS OF AVON :: im Burginnenhof ließ ich meinen Festivalabend mit einem gepflegten Kirschmet wieder bei sternenklaren Himmel ausklingen... Als Stadtmensch ist man so viele Sterne gar nicht gewohnt... Einfach wunderbar, das sag ich euch ;)

Am nächsten morgen ging es dann frühzeitig auf die Bahn und diesmal schaffte ich die Strecke dann auch in dreieinhalb Stunden. Für die Langschläfer gab es neben dem Frühstück ab dem Mittag noch Lesungen mit Christian von Aster und Boris Koch.

Fazit: Ein fantastisch organisiertes Festival mit jeder Menge an interessantem Rahmenprogramm bei bombastischen Wetter. Die Bandauswahl war gut gemischt, so dass für jeden was dabei gewesen sein dürfte. Die Preise waren äußerst zivil: Bratwurst, Frikadelle oder Steak in Fladenbrot für 2 Euro bis 2,50 Euro, die verschiedensten Pfannen je 3 Euro. Bier und Säfte 2 Euro, Brause 1,50 Euro, Weine und Met 3 Euro... Dann kann sich niemand beschweren :) Auch das Festivalticket für 32 Euro (VVK) war bei dem 3-Tage-Programm angemessen.
Ich bin begeistert! Nächstes Jahr habt ihr mich wieder :)

 

story & pics © Dajana