Der
Bandname führt unweigerlich auf eine falsche Fährte.
Mit ORIENT hat die Musik nichts zu tun, und
der EXPRESS wird auch selten bemüht. Das
Tempo der Songs bewegt sich meist in moderaten Bahnen, es gibt
Verweise auf Früh-Siebziger Psychedelic – ab und
an mit leichten Blues-Anleihen, von Ferne grüßen
die Doors -, sowie alternativen Singer-Songwriter Rock der Neunziger.
Witos Stimme und Gestus erinnern ungemein an Gavin Friday, den
ehemaligen Sänger der Virgin Prunes, dessen chansoneske
Solowerke der Musik des ORIENT EXPRESSes recht
ähnlich sind.
Manchmal zieht das Tempo in Stücken wie Madness
oder Prison Head an, fügt sich aber nahtlos in
die düstere Ausrichtung des gesamten Albums ein, eine Düsternis,
die dem verregneten Seattle des Grunge näher steht, als
elegischen Metal-Spielarten. ORIENT EXPRESS
geben ihren Songs Zeit sich zu entwickeln, ohne endlos zu zerfasern,
sie nutzen die Laufzeiten von vier bis achteinhalb Minuten für
wohltemperierte emotionale Stimmungs- und Wechselbäder.
Neben Witos Gesang ist auch die instrumentale Begleitung wohl
geraten; Wito selbst ist ein mehr als passabler Bassist und
Gg beherrscht sowohl zurückhaltendes Saitenanreißen
wie angriffswütige Attacken, Drums und atmosphärische
Keyboards passen sich ökonomisch ins Klangbild ein. Die
Synthies flirten schon mal mit ambienten Soundscapes und Pablo
an den Drums beherrscht vor allem eine leicht verschleppt- polterig
klingende Spielweise, die lässig wirkt, aber präzise
umgesetzt wird und bei schnelleren Passagen ordentlich Dampf
machen kann. Sehr empfehlenswertes Album - man sollte nur nicht,
aufgrund des Bandnamens und der Covergestaltung Spacerock in
der Nähe der Ozric Tentacles erwarten. Dafür ist die
Illusion bei allen trippigen Momenten
zu erdverbunden.
PS.: Die Reduzierung
der Bandmitglieder auf Vornamen im Booklet und Infomaterial,
die Labels wie My Kingdom Music oder Trustkill anscheinend
gerne betreiben oder zumindest zulassen, ist etwas nervig,
vermittelt sie doch das Gefühl Berichterstatter für
ein Boygroup-Fanzine zu sein.
|