MISTRESS OF THE DEAD – White Roses, White Coffin

 
Label: Epidemie Records
Release: 18.11.2008
Von: Joking
Punkte: 8.5/10
Time: 76:08
Stil: Funeral Doom Metal
URL: Mistress Of The Dead
 
Hinter MISTRESS OF THE DEAD verbirgt sich der tschechische Musiker Vlad Cristea Vales, der alleinig für alle Instrumente, Sounds, Geräusche und dunkel grollenden Vocals zuständig ist. Verbergen ist das richtige Stichwort, denn richtig aus dem Schatten tritt Vales mit seinem Projekt nicht. So gibt es nur ein karges Presse-Info mit den nötigsten Daten und dem akzentuierten Verweis, dass MISTRESS OF THE DEAD keine eigene Homepage besitzen und nicht auf Myspace vertreten sind. Verwunderlich eigentlich, gibt es doch einen umfangreichen Backkatalog, der auf stolze elf Demos, zwei Split-Alben, eine Kompilation und immerhin drei Longplayer vor White Roses, White Coffin verweisen kann. Doch irgendwie ist es konsequent im Dunkel zu bleiben, denn mit Licht hat die Musik der MISTRESS OF THE DEAD wenig am Hut. Vier Stücke in 76 Minuten brechen über den Hörer herein, oder besser, schleichen sich ins Bewusstsein, ziehen ihre elegische Bahn, atmosphärisch dicht und von be(d)rückender Schönheit. Mit Metal hat das wenig zu tun, es sei denn, man würde einen melodischen Death- oder Doom-Metal Song nehmen und ihn um ein vierfaches zu langsam abspielen. Hier hat alles Gewicht, die sägenden Gitarren, die vereinzelten Trommelschläge, das klare Flirren der Beckens und auch der „Gesang“, der sich wie waidwundes Raunen durch die Songs zieht. Worte sind nicht zu verstehen bei dieser gedehnten Variante des Growls. Doch dank der abgedruckten Lyrics lässt uns Vales teilhaben an seiner Gedankenwelt. In der es zwar wie zu erwarten um Vergänglichkeit und Tod geht, aber auch um die Kraft der Liebe und die Sehnsucht nach Erlösung.
White Roses, White Coffin erzeugt einen Sog, der den Hörer entweder gefangen nimmt oder abstößt. Das ist große, dramatische Musik, die fast gänzlich ohne pathetische Beiklänge auskommt, hier gibt es kein Anbiedern an melodische Seligkeiten. MISTRESS OF THE DEAD sind am ehesten vergleichbar mit einer Band wie Goodspeed You Black Emperor zu Zeiten der „Lift Your Skinny Fists...“ Phase, allerdings ohne jemals in berstende Soundwälle überzugehen und zu explodieren. Leichte Abzüge gibt es, weil die Songs sich etwas zu ähnlich sind in ihrem Aufbau und Verlauf. Andererseits bewirkt genau dies, jene hypnotische Geschlossenheit zu erzeugen, die aus White Roses, White Coffin ein granitenes Monument macht, das von einem zähflüssigen Lavastrom unterspült wird. Hier herrscht eine alles verzehrende Langsamkeit, Töne, die scheinbar stehen bleiben und sich dann doch auflösen in ein düsteres, aber gleichzeitig ungemein friedliches Universum. Selten war Verzweiflung so herausfordernd schön.
Zum Ende des Jahres also noch ein innovatives Highlight aus einer untergründigen Welt. Es tut gut, dass es noch Platten verschrobener Geister gibt, die sich wenig um Genre, Verkaufszahlen und zu befriedigende Hörererwartungen kümmern. Stattdessen Klang und Raum und Zeit. Sehr viel davon.