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2008-11-30 DE – München - Backstage Werk

Ja, der Tag hat schon fantastisch begonnen. Erst Bandprobe, wo ich mein neues Multieffektboard ausgiebig testen konnte und mich vollends aus den Socken gehauen hat. Nur blöd, dass ich vergessen habe, meinen Amp etwas leiser zu drehen, bevor ich ihn – jetzt mit dem Effektboard davor – einschaltete. Ein grelles, lautes Fiepen durchdrang Mark und Bein und ich dachte, mir zerfetzt es sämtliche Gehörgänge... Langweile ich Euch? Sorry, aber diese kurze Vorgeschichte musste sein, denn wegen besagten Vorfalles habe ich mich während des KRAKÓW Auftritts dazu entschieden, erstmalig bei einem Klubkonzert Ohropax in die Ohren zu stopfen, nachdem vor allem mein rechtes höllisch zu schmerzen begann... Aber so viel zur Vorgeschichte!
Viertel nach sieben komme ich mit meinem Kumpel Raphi am Backstage an, was schon die erste Überraschung in sich birgt: das alte neue Backstage ist nicht mehr. Die Stadt München hat entschieden, direkt an der Friedenheimer Brücke eine weitere S-Bahn Haltestelle entstehen zu lassen und wiederum mussten die Betreiber des Backstage den kürzeren ziehen, nachdem sie der Wohnbaupolitik Münchens bereits vor einiger Zeit zum Opfer gefallen sind und das schnuckelige Backstage an der Donnersberger Brücke, von der Location und der Verkehrsanbindung her das Nonplusultra in München, verlassen mussten. Schade drum. Eine der beiden Hallen im Werksgelände ist heute auf jeden Fall voll in norwegischer Hand. Direkt am Merchandisestand begrüßen einen dann auch gleich AUDREY HORNE Fronter Toschie und sein Bandkollege und ENSLAVED Gitarrist Arve „Ice Dale“ Isdal, der mir auch gleich erzählt, dass man einen Aushilfsgitarristen als Ersatz für Thomas (den Toschie während des Gigs als Mr. Richie Sambora vorstellt... ;) ) mit auf Tour genommen hat, da dieser noch mit Liveaktivitäten seiner anderen Band Sahg beschäftigt gewesen ist.

Unser lockeres Gespräch unterbrechen dann völlig überraschend (keine Viertel Stunde waren wir in der Halle) und zeitig die ersten Takte des rabiaten Stoner Rocks der Opener :: KRAKÓW :: Und der weiß durchaus zu gefallen. Der Wechselgesang zwischen Gitarrist René mit seinen cleanen und Bassmonster Frode mit seinen gebrüllten Vocals sorgt für Kurzweile in den Songs, Gitarrist Kjartan entlockt seiner Gitarre wunderschöne Leadsounds und Trommler Christopher (sieht Ulvers Garm zum Verwechseln ähnlich!) unterlegt das alles mit höllisch groovenden Beats. Nach knapp 25 Minuten verabschieden sich die Norweger dann schon vom sehr rar gesäten Münchner Publikum. Der Auftritt verlief für die Band nicht ganz problemlos, wie mir René anschließend verrät. Ein Straplock an der Gitarre ging kaputt und das musste dann mit Klebeband fixiert werden... Dass dadurch die Bewegungsfreiheit des Gitarristen eingeschränkt war, versteht sich von selbst, denn so eine Notlösung kann auch schnell dazu führen, dass die Klampfe einfach mal auf den Boden knallt. Und das tut nicht nur ihr weh, sondern auch dem Herzen des Gitarristen... Trotzdem ein kurzweiliger Einstieg. Danke dafür!
Setlist: Kraków, Last, Firefly, Coronated King

Nach einer kurzen Umbaupause läutet das wunderschöne Love Theme von Angelo Badalamentis Twin Peaks Soundtrack den Auftritt von :: AUDREY HORNE :: ein. Ein besseres Intro hätte man nicht wählen können. Und mit The Sweet Taste Of Revenge vom Debüt No Hay Banda steigen die Bergener dann auch gleich furios in einen leidenschaftlichen Gig ein. Sänger Toschie spurtet wie ein Berserker über die Bühne und versprüht dabei so viel Energie, dass man sich als Fan selbst nicht mehr zurückhalten kann und dementsprechend mitgeht. Ice Dale, die Coolness in Person, post wie ein junger Gott und entlockt seiner Gitarre bei glasklarem Sound die geilsten Licks und Riffs. Toschie wird an den Vocals vom Tourbasser und – Keyboarder unterstützt, was vor allem bei den zweistimmigen Gesangsharmonien wichtig ist. Der Sound ist ungemein ausgewogen gemischt und somit kann man jedes einzelne Instrument sehr deutlich heraushören. Toschie beweist auch auf der Bühne, dass er ein großartiger und technisch herausragender Sänger ist, der sowohl eine sehr charakteristische cleane Stimme hat (Confessions & Alcohol – welches Toschie Schlagzeuger Kjetil widmet), aber auch fantastisch brüllen kann (Dead). Kjetil hinter dem Schlagzeug sorgt timingsicher für den nötigen Groove und der Livegitarrist, dessen Name mir leider nicht bekannt ist, ist ein würdiger Ersatz für Thomas, der selbst bei schwierigen Passagen wie dem zweistimmigen Solo in Threshold eine gute Figur macht. Für mich ist klar, dass AUDREY HORNE die Meßlatte für den Mainact mit diesem mitreißenden Auftritt fast schon zu hoch gelegt hat. Der ein oder andere Hammersong hätte für meinen Geschmack noch kommen können, dabei vor allem noch das fantastische Prince Cover The Cross oder das mit einem traurigschönen Refrain ausgestattete Get A Rope; aber man kann ja nicht alles haben. Sänger Toschie meint bei einem abschließenden Schwatz, dass das Publikum bislang generell sehr tolerant auf AUDREY HORNE reagiert hat, auch wenn sie anderorts auf etwas engstirnigere Fans gestoßen sind, so beispielsweise beim Gig in Glasgow/Schottland. Das dort anwesende Publikum bestand laut Aussage des Sängers hauptsächlich aus Die Hard Black Metallern, die mit dem Sound der Norweger nicht viel anfangen konnten.
Setlist: The Sweet Taste Of Revenge, Last Call, Bright Lights, Dead, Confessions & Alcohol, Threshold

:: ENSLAVED :: fährt nach ebenfalls kurzer Umbaupause schweres Geschütz auf. Das Bühnenbild ist beeindruckend und ungewöhnlich. Das Schlagzeug steht nicht, wie sonst üblich, hinten in der Mitte der Bühne, sondern vom Publikum aus gesehen im linken Eck, was den beiden Gitarristen und Sänger/Bassisten Grutle aber noch mehr Freiraum zum Herumtoben gibt. Herbrands Keyboard ist auf einem Podest aufgebaut, somit thront er quasi über allen; zudem ist das Podest mit einem ENSLAVED Banner versehen, so dass es fast schon aussieht, als würde der Keyboarder von seinem Altar aus die Meute verzaubern (was auch Raphi auffiel). Und die zu jedem einzelnen Song liebevoll gestalteten Videos, die auf eine Leinwand im Hintergrund projiziert werden, untermalen die Botschaft des jeweiligen Songs auf beeindruckende Weise.
Erwartungsgemäß legen die Bergener mit dem genial verschachtelten Opener Clouds, meinem Favoriten auf Vertebrae, los. Der Schwerpunkt des Sets liegt logischerweise auf dem brandneuen, saustarken Album. Und das kommt bei den Fans klasse an. Neben Songs der letzten vier Platten (die das Publikum am besten aufnimmt), kommen auch diejenigen, die alten Zeiten nachtrauern, mit dem Titelsong von Eld (zu welchem Grutle das genaue Erscheinungsjahr nicht genau einfällt, nachdem er während den Aufnahmen eh besoffen war... ;)) und Allfadr Odinn von der EP Hordanes Land voll auf ihre Kosten. Nach einer knappen Stunde ist der reguläre Set bereits vorbei. Etwas kurz für meinen Geschmack, auch wenn ENSLAVED nach lautstarken Zugabeforderungen seitens des Publikums doch noch einmal zurückkommen, um der Meute das heiß ersehnte Isa vorzuwerfen. Sehr geil, aber wie gesagt, ein definitiv zu kurzer Auftritt der Norweger.
Nichtsdestotrotz haben ENSLAVED heute bewiesen, dass sie das hochkomplexe Material der letzten Scheiben live kongenial umsetzen können und dabei noch eine Menge zusätzlicher Power freisetzen, was vor allem den Songs neueren Datums sehr gut zu Gesichte steht.
Setlist: Clouds, The Watcher, Ground, Fusion Of Sense And Earth, New Dawn, To The Coast, Eld, Allfadr Odinn //Isa, As Fire Swept Clean The Earth, Ruun.

Bleibt abschließend festzuhalten, dass der heutige Abend ein fantastisches Konzerterlebnis war mit einer äußerst vielversprechenden Vorband und dem qualitativ sowohl im Livebereich als auch auf Konserve ebenbürtigen Bergener Doppelschlag AUDREY HORNE/ENSLAVED. Dass sich selbst bei der Hauptband die Halle maximal zur Hälfte gefüllt war, liegt mit Sicherheit nicht an fehlender Popularität. Vielmehr nagt das Überangebot an Konzerten in den Monaten November und Dezember an den Geldbeuteln der Fans, so dass man wohl bedenkt, auf welches Konzert man geht und welches man außen vor lässt… Zudem hat sich ENSLAVED erst letztes Jahr in Deutschland sehen lassen. Die eine oder andere Nase hätte sich vielleicht trotzdem die höllisch teuren Tickets für manch ein Konzert größerer Bands sparen und dem norwegischen Triumvirat eine Chance geben sollen. Verdient gehabt hätten sie’s...

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

 

story © Haris